Warum wir eine digitale Ethik brauchen

Digitalisierung ist das bestimmende Thema unserer Zeit. Digitale Revolution, Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz – die Digitalisierung ist die aktuelle Herausforderung und Bewährungsprobe für die globale Welt. Die Politik setzt sich neben den technischen Bedingungen seit einiger Zeit auch mit der digitalen Ethik auseinander (Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, 2018). Das ist dringend notwendig.

Datafizierung, Automatisierung, Visualisierung: Der technologische Fortschritt eröffnet unzählige neue Handlungsoptionen. Innere Sicherheit, Bildung, Pflege, Arbeit und Freizeit – nahezu alle Lebensbereiche sind betroffen. Allerdings fühlen sich einer Befragung zufolge 32 Prozent der Deutschen nicht für die digitale Welt gewappnet. Sie geben an, dass die Dynamik und Komplexität der Digitalisierung sie überfordere (Initiative D21 e. V., 23.01.2018). Das verwundert nicht, sind doch Schlagzeilen zu Themen wie Arbeitsplatzabbau, Cyberkriminalität und Datenmissbrauch diskursbestimmend. Diese fundamentalen Veränderungen im Alltag der Menschen sind Auslöser für Verunsicherung. Daher ist die Auseinandersetzung mit der digitalen Ethik wichtig, um einen Orientierungsrahmen für den Umgang mit den neuen Technologien bieten zu können.

Was ist digitale Ethik?

Die Ethik im Allgemeinen geht der Frage des guten Handelns und gelingenden Lebens nach. In ihrer Anwendung beschäftigt sie sich damit, wie Prinzipien und Normen auf spezielle Problemfälle übertragen werden können. Die digitale Ethik befasst sich dementsprechend mit Werten und Richtlinien für gutes Handeln in digitalen Prozessen und reflektiert verschiedene aktuelle Problemstellungen (Horn, 2017).

Abbildung 1

Ziele einer digitalen Ethik

 

 

Quelle: Eigene Darstellung

 

Viele Bereiche der Digitalisierung lösen ethische Fragestellungen aus und erfordern eine reflektierte Diskussion.

So zum Beispiel der Aspekt der Reduktion menschlicher Kontrolle und Sicherheit. Autonomie und Selbstbestimmung werden durch Algorithmen beeinträchtigt. Auf Basis des Nutzungsverhaltens werden Algorithmen mit Daten gefüttert, so dass bei Suchanfragen nur noch Ergebnisse angezeigt werden, die zu den analysierten Neigungen passen. Andere Sichtweisen verschwinden und es entstehen sogenannte Filterblasen, die Raum für Beeinflussung und Manipulationen bieten. Das ist soweit nichts neues, doch die Auswirkungen sind immens und beeinflussen das gesellschaftliche Zusammenleben.

Beispielsweise lassen sich mit Hilfe von Big Data politische Beeinflussungen durchführen (abgesehen von Social Bots). Internetnutzern werden in Form von Werbung Ausschnitte aus Wahlprogrammen angezeigt, die wahrscheinlich ihre Zustimmung finden – rein auf Basis der Daten, die im Internet erhoben wurden und aus denen sich Präferenzen ableiten lassen. Der Nutzer kann sich mit einer bestimmten Partei schnell identifizieren und für diese bei der anstehenden Wahl seine Stimme geben. Für die Parteien bedeutet dies Effizienzsteigerung. Es können die Wählergruppen identifiziert werden, deren Ansprache sich tatsächlich lohnt. Somit werden Ressourcen zur Gewinnung von Wählern gezielter eingesetzt. Wo allerdings hört Wahlkampf auf und wo beginnt Manipulation? Es erscheint nicht abwegig, dass Parteien ihre Wahlprogramme nicht mehr inhaltlich und wertebasiert optimieren sondern nur noch auf den Erfolg im Zusammenhang mit Big Data (Pousttchi, 2018).

Abgesehen von den technischen Möglichkeiten verändert die Digitalisierung auch die Gesellschaft. Vielfach ist die Rede davon, dass die Kommunikation und Interaktion durch die Verlegung in den virtuellen Raum oberflächlicher wird (Netzwerk Ethik Heute, 2018). Die Distanz aus dem Internet wird auf das reale Leben übertragen. Die Menschen verlieren das Gefühl dafür, welche Wirkung ihre Äußerungen im Netz auf reale Personen und Ereignisse haben (Lordick, 2016). Die Fälle von Cybermobbing und Hate Speech legen nahe, dass der verantwortungsbewusste Umgang miteinander im digitalen Raum sinkt. Stellenweise ist sogar von einem Werteverfall zu lesen. Auf der anderen Seite ermöglicht diese Art der Kommunikation auch den Austausch von Menschen untereinander über Landesgrenzen hinweg. Es bilden sich wiederum Communities mit dem Zweck, sich untereinander auszutauschen und zu helfen.

Ethische Grundvorstellungen müssen in die digitale Welt übersetzt werden.

Diese einfachen Beispiele zeigen, dass die Diskussion über (un)ethische Aspekte der Digitalisierung vielfältig ist. Eine öffentliche Debatte über die Verteidigung wichtiger Werte für das Zusammenleben in der Gesellschaft, die sowohl online als auch offline gelten, ist notwendig. Ethische Grundvorstellungen müssen in die digitale Welt übersetzt und ein neuer Orientierungsrahmen für das menschliche Handeln geschaffen werden (Initiative D21 e. V., 2018).

In letzter Instanz ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen zu setzen. Wichtig ist insbesondere, dass die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit geschützt wird. Diese wird vor allem dadurch eingeschränkt, dass Nutzer oftmals nicht mehr kontrollieren können, was mit ihren Daten passiert. Die Ausbildung der werteorientierten Digitalkompetenz ist daher von hoher Bedeutung, um Informationen bewerten, Folgen abschätzen und verantwortungsbewusst handeln zu können (Horn, 2017; Lordick, 2016; Grimm, 2013).

 

 

Quellen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (2018): 21. Ordentlicher Bundeskongress des DGB. Hg. v. Bundespräsidialamt. Online verfügbar unter www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2018/05/180513-DGB.html, zuletzt aktualisiert am 13.05.2018, zuletzt geprüft am 21.09.2018.

Grimm, Petra (2013): Digitale Ethik – wozu brauchen wir sie? Online verfügbar unter www.digitale-ethik.de/institut/digitale-ethik/, zuletzt geprüft am 21.09.2018.

Horn, Nikolai (2017): Grundlagen der digitalen Ethik. Eine normative Orientierung in der vernetzten Welt. Hg. v. Initiative D21 e. V. Online verfügbar unter initiatived21.de/app/uploads/2017/08/01_denkimpulse_ag-ethik_grundlagen-der-digitalen-ethik.pdf, zuletzt geprüft am 21.09.2018.

Initiative D21 e. V. (2018): Ethische Grundvorstellungen in die digitalisierte Welt übersetzen. Online verfügbar unter initiatived21.de/arbeitsgruppen/ag-ethik/, zuletzt geprüft am 21.09.2018.

Initiative D21 e. V. (23.01.2018): Studie D21-Digital-Index 2017 / 2018. Die deutsche Gesellschaft wird digitaler. Berlin. Online verfügbar unter initiatived21.de/app/uploads/2018/01/pm_d21-digital-index2017_2018_final.pdf, zuletzt geprüft am 21.09.2018.

Lordick, Marina (2016): Moral im Netz: Wir brauchen eine Digitalethik. Hg. v. zukunftsInstitut. Online verfügbar unter www.zukunftsinstitut.de/artikel/moral-im-netz-wir-brauchen-eine-digitalethik/, zuletzt geprüft am 21.09.2018.

Netzwerk Ethik Heute (2018): Die Digitalisierung entfremdet uns. Online verfügbar unter ethik-heute.org/die-digitalisierung-entfremdet-uns/, zuletzt geprüft am 21.09.2018.

Pousttchi, Key (2018): Politik unter den Rahmenbedingungen der Digitalisierung. Online verfügbar unter www.pousttchi.de/blog/165-politik-unter-den-rahmenbedingungen-der-digitalisierung.html, zuletzt geprüft am 21.09.2018.

 

Lena arbeitet seit 2018 als Referentin in der IW Akademie. Sie studierte im Master Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Management/Marketing an der Universität Duisburg-Essen.