Die Angst vor Terroranschlägen ist ein starkes Gefühl, das viele Menschen beschäftigt. Nach Vorfällen wie dem Anschlag in Solingen oder den Anschlägen in Aschaffenburg und Magdeburg haben die Bürgerinnen und Bürger wieder mehr Angst vor Terroranschlägen und fühlen sich unsicher. Laut aktuellen Umfragen fürchten sich 43 Prozent der Menschen vor einem terroristischen Anschlag in Deutschland.
Terrorangst vs. Realität: Warum wir die Gefahr von Terroranschlägen überschätzen
Die Erfahrung der Verwundbarkeit hat sich durch den Anschlag auf das New Yorker World Trade Center im Jahr 2001 sowie die Anschläge in Paris (2015) und Nizza (2016) stark ins kollektive Bewusstsein eingeprägt. Jüngste Erlebnisse wie das Attentat in Solingen im August 2024 oder der Anschlag in Magdeburg im Dezember 2024 rufen diese Verwundbarkeit erneut ins Gedächtnis. Dadurch entsteht die subjektive Einschätzung, dass die Wahrscheinlichkeit, selbst Opfer eines solchen Anschlags zu werden, höher ist als sie tatsächlich ist. Während die Terrorangst seit 2018 allgemein zurückging, ist sie im Jahr 2024 zum dritten Mal in Folge gestiegen. Während 2021 nur 32 Prozent der Befragten Angst vor terroristischen Anschlägen äußerten, lag dieser Wert im Jahr 2024 bei 43 Prozent (R+V, 2025).
Abbildung:
Angst vor terroristischen Anschlägen
Quelle: R+V Versicherung, „Die Ängste der Deutschen im Langzeitvergleich“, 2024
Je emotionaler ein Ereignis ist und je näher es uns geographisch erscheint, desto stärker prägt es sich in unser Gedächtnis ein. Neben der Intensität und Nähe eines Geschehens spielt auch die mediale Berichterstattung eine entscheidende Rolle. Je häufiger eine Bedrohung in den Medien dargestellt wird, desto realer erscheint sie den Menschen. Hinzu kommt, dass Menschen sich leicht vorstellen können, selbst zufällig Opfer eines Terroranschlags zu werden – beispielsweise in einem Flugzeug oder bei einer Großveranstaltung.
Das tatsächliche Risiko: Eine Einordnung
Statistisch gesehen ist die Angst vor Terroranschlägen überhöht. Das Risiko, zum Beispiel an einer Krankheit zu sterben, ist weitaus größer als das, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Im Jahr 2023 starben in Deutschland knapp 1.030.000 Menschen. Mehr als die Hälfte der verstorbenen Frauen und fast ein Drittel der verstorbenen Männer waren 85 Jahre und älter. Die häufigste Todesursache waren Herz-Kreislauferkrankungen, während nur knapp 5 Prozent der Todesfälle durch äußere Ursachen wie Verletzungen oder Vergiftungen bedingt waren (Statistisches Bundesamt, 2024).
79 Prozent der Menschen überschätzen das Risiko eines Terroranschlags
Terroranschläge zählen zu den am häufigsten überschätzten Gefahren. Während das Risiko, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden, bei nur 1:27,3 Millionen (0,0000037 Prozent) liegt, kommt einer Studie von Canada Life (2015a) zufolge eine von 110 Personen (0,91 Prozent) an den Folgen einer ungesunden Ernährung ums Leben. Das Risiko, an den Folgen regelmäßigen Rauchens zu sterben, liegt bei 1:180 (0,56 Prozent). Dennoch überschätzen 79 Prozent der Menschen das Risiko eines Terroranschlags erheblich, während sie gleichzeitig andere, viel häufigere Risiken unterschätzen (Canada Life, 2015b).
Warum überschätzen Menschen das Risiko?
Mehrere kognitive Verzerrungen, in der Verhaltensökonomik „Biases“ genannt, können die falsche Einschätzung der Menschen erklären:
• Verfügbarkeitsheuristik
Menschen neigen dazu, die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses anhand der Leichtigkeit abzuschätzen, mit der sie sich daran erinnern können. Da Terroranschläge medial stark präsent sind, erscheinen sie wahrscheinlicher als sie tatsächlich sind (Sunstein, 2006).
• Bestätigungsfehler
Menschen tendieren dazu, Informationen zu suchen, die ihre vorgefasste Meinung bestätigen. Wer überzeugt ist, dass das Risiko eines Terroranschlags hoch ist, sieht neue Anschläge als Beweis dafür, ohne zu berücksichtigen, wie viele Anschläge vereitelt wurden (Lidén, 2023).
• Illusorische Korrelation
Menschen stellen Zusammenhänge zwischen Ereignissen her, die in Wirklichkeit unabhängig voneinander sind. Die letzten Terroranschläge werden Beleg für mögliche weitere Anschläge betrachtet (Fiedler, 2000).
Wie können wir besser mit der Angst umgehen?
Die Furcht vor Terroranschlägen kann unseren Alltag beeinflussen, indem wir Veranstaltungen meiden oder Reisen absagen. Doch eine realistische Einschätzung der tatsächlichen Bedrohung kann helfen, die Angst in den richtigen Kontext zu setzen. Es geht nicht darum, Bedrohungen zu ignorieren, sondern sich bewusst zu machen, dass unser subjektives Empfinden nicht immer der objektiven Realität entspricht. Indem wir uns mit Fakten auseinandersetzen, können wir eine gelassenere Haltung finden – ohne dabei sorglos zu werden.
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Quellen:
Canada Life, 2015a, Trinken, Rauchen, Essen: Männer leben sorgloser als Frauen, Canada Life Assurance Europe Limited, Story - lifePR [26.02.2025]
Canada Life, 2015b, Umfrage der Canada Life „Risikoeinschätzung der Deutschen 2015“ - Flugkatastrophen, Terror, Gewalt: Deutsche verkennen die Risiken des Alltags - Das Tagesbriefing für Versicherung & Finanzen [26.02.2025]Cass R. Sunstein, 2006, The Availability Heuristic, Intuitive Cost-Benefit Analysis, and Climate Change, 77 Climatic Change 195, Springer Verlag
Fiedler, Klaus, 2000, Illusory Correlations: A Simple Associative Algorithm Provides a Convergent Account of Seemingly Divergent Paradigms, 4 Rev. Gen. Psychol. 25, 27
Lidén, Moa, 2023, 'Confirmation Bias', Confirmation Bias in Criminal Cases, Oxford, 2023; online edn, Oxford Academic, S. 6-34
R+V Versicherung, 2024,„Die Ängste der Deutschen“ im Langzeitvergleich (ruv.de) [26.02.2025]
Statistisches Bundesamt, 2024, KORREKTUR: Todesursachenstatistik 2023: Zahl der Todesfälle im Jahr 2023 um 3,6 % gesunken - Statistisches Bundesamt (destatis.de) [26.02.2025]