Change / Führung

Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit junger Nachwuchsführungskräfte

Aktuelle Studienergebnisse zeigen, dass junge Nachwuchsführungskräfte ein hohes Maß an Vertrauen, Kooperation und Fairness besitzen. Das ist wichtig, denn insbesondere in Zeiten von Digitalisierung und zunehmender Komplexität bildet Vertrauen eine Grundlage für erfolgreiche Zusammenarbeit.

Immer mehr Unternehmen müssen aufgrund steigender Regulierungsauflagen ein Compliance-Management einführen. Dieses soll Rahmenbedingungen sowohl für rechtlich als auch moralisch einwandfreies Verhalten bilden. Frei nach der Theorie des „Homo oeconomicus“ erscheint Kontrolle auch besser als Vertrauen, denn schließlich gibt es aus individueller Sicht genug Anreize, sich eigennützig und nicht im Sinne des Unternehmens zu verhalten. Experimente mit 282 Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren, die als Bachelor- oder Masterstudierende bzw. Promovierende in den Jahren 2014, 2015 und 2016 an Seminaren der IW Akademie teilgenommen haben, zeigen allerdings ein anderes Bild.

Junge Nachwuchsführungskräfte sind vertrauenswürdig, kooperativ und uneigennützig

Im Rahmen zwischenmenschlicher Interaktion wird unehrliches Verhalten genutzt, um einen eigenen Vorteil zu erzielen. Allerdings ist Ehrlichkeit die Basis für Vertrauen, Vertrauen wiederum die Grundlage für soziale und auch ökonomische Beziehungen. Um Vertrauensentscheidungen erfassen zu können, wird häufig das sogenannte Vertrauensspiel genutzt.

Vertrauensspiel
Im Vertrauensspiel interagieren zwei Teilnehmer, A und B, miteinander. Teilnehmer A erhält fünf Euro. A kann entscheiden, ob er die fünf Euro an Person B weitergibt oder nicht. Behält A den Betrag, erhält Teilnehmer B nichts. Sofern Teilnehmer A den Betrag an Teilnehmer B weitergibt, wird er auf 20 Euro erhöht. Teilnehmer B kann die 20 Euro dann entweder komplett für sich behalten oder die Hälfte an A abgeben.
Ergebnis im Homo Oeconomicus-Fall
Wird angenommen, dass alle Teilnehmer rational und eigennutzorientiert handeln, sollte Teilnehmer B nichts an A abgeben. Dies würde Teilnehmer A antizipieren und demzufolge auch nichts an B weitergeben. Beide hätten völlig rational und eigennützig, aber ineffizient gehandelt.

Dieses Spiel wurde an der IW Akademie über mehrere Jahre hinweg durchgeführt. Alle 282 Teilnehmer wurden mittels Fragebogen nach ihrer Entscheidung in beiden Rollen (Teilnehmer A und B) gefragt. Die Auswertung zeigt, dass sich 71 Prozent der Teilnehmer A entschieden, das Geld an Teilnehmer B weiterzugeben (Abbildung 1). Gleichzeitig wurde erwartet, dass im Durchschnitt nur 58 Prozent der Teilnehmer den Betrag weitergeben würden. Das Ergebnis bestätigt zwar, dass die Teilnehmer selbst ein hohes Vertrauen in die anderen Teilnehmer hatten, gleichzeitig allerdings dessen Vertrauen zu gering einschätzten.

Nach der Entscheidung von Teilnehmer A folgte Teilnehmer B. Von dieser Gruppe gaben 81 Prozent die Hälfte des Betrags an Teilnehmer A wieder zurück (Abbildung 1). Doch die Erwartungen über die Handlung des Anderen liegen auch hier deutlich darunter.

 

Abbildung 1: Anteil der Teilnehmer am Vertrauensspiel, die Geldbetrag weitergeben (A) sowie derer, die den erhaltenen Geldbetrag geteilt haben (B)

 


Quelle: Enste/Grunewald/Kürten, 2018, N=282

 

Durch die Ergebnisse der Experimente lässt sich bei den Nachwuchsführungskräften eine hohe Ausprägung an sozialen Präferenzen nachweisen. Weitere Experimente dieser Art ergaben außerdem, dass die teilnehmenden Personen sich ebenfalls mehrheitlich kooperativ und uneigennützig zeigten – entgegen des Modells des Homo oeconomicus. Die befragten jungen Nachwuchsführungskräfte bringen somit gute Voraussetzungen für die Etablierung einer Vertrauenskultur im Unternehmen mit.

Durch die Etablierung einer Vertrauenskultur können Unternehmen Wettbewerbsvorteile schaffen

Im Vergleich zu Kontrollen verringert Vertrauen Transaktionskosten und reduziert die Komplexität innerhalb eines Unternehmens (Arrow, 1972; Williamson, 1993; Luhmann, 2000). Insbesondere in Anbetracht der Technisierung von Gesellschaft und Arbeitswelt sowie der daraus resultierenden zunehmenden Unsicherheiten wird es ohnehin immer schwieriger, die eigene Umwelt zu kontrollieren. Ein gewisser Grad an Vertrauen wird somit zur Voraussetzung.

Auch auf Seiten der Mitarbeiter lassen sich Auswirkungen nachweisen. Befragungen zeigen beispielsweise, dass Vertrauen die Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern erhöht, während Kontrollen eher zu Konflikten führen. Auch die Arbeitszufriedenheit leidet unter zu starken Kontrollen: Weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer ist mit ihrer Arbeit zufrieden, wenn sie strengen Kontrollen ausgesetzt sind. Am zufriedensten sind Mitarbeiter hingegen, wenn sie nicht kontrolliert werden, ihnen also vertraut wird (IW, SOEP v31, 2014).

Mitarbeiter und Führungskräfte, die anderen vertrauen und selbst vertrauenswürdig sind, können durch ihr eigenes faires Verhalten Vertrauen fördern. Für die konkrete Unternehmenspraxis bedeutet dies, dass zur Förderung von mehr Vertrauen Führungskräfte und Mitarbeiter rekrutiert und eingestellt werden sollten, die neben fachlicher Expertise vor allem die nötigen sozialen und persönlichen Eigenschaften mitbringen. Die neue Generation der Führungskräfte bringt hierfür wichtige Voraussetzungen mit.

 

 

 

Quellen:

Abeler, Johannes / Nosenzo, Daniele / Raymond, Collin, 2016, Preference for Truth-Telling, in: CESifo Working Paper, Nr. 6087, München

Arrow, Kenneth J., 1972, Gifts and exchanges, in: Philosophy & Public Affairs, 1. Jg., Nr. 4, S. 343–362

Enste, Dominik / Grunewald, Mara / Kürten, Louisa, 2018, Vertrauenskultur als Wettbewerbsvorteil in digitalen Zeiten, IW Trends, Jg.  45, Nr. 2

https://www.iwkoeln.de/fileadmin/publikationen/2018/391018/IW-Trends_2018_2_Vertrauenskultur.pdf

Luhmann, Niklas, 2000, Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 4. Auflage, Stuttgart

Williamson, Oliver E., 1993, Opportunism and its critics, in: Managerial and Decision Economics, 14. Jg., Nr. 2, S. 97–107

 

Lena arbeitete von 2018 bis 2024 als Referentin in der IW Akademie. Sie studierte im Master Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Management/Marketing an der Universität Duisburg-Essen.