Die Todsünde der Völlerei im Kontext der Black Week

Völlerei bedeutet heutzutage mehr als nur exzessives Essen und Trinken. In unserer Gesellschaft zeigt sie sich auch im erhöhten Konsum während globaler Einkaufsereignisse wie etwa der Black Week. Bewusst gesteuert kann sie jedoch positiv wirken: Gezielte Käufe und maßvoller Genuss können sowohl wirtschaftlich als auch emotional sinnvoll sein, solange ein Gleichgewicht gewahrt wird.

Die Wurzeln der Völlerei 

Unsere Tendenz zur Völlerei hat ihre Wurzeln in evolutionären Instinkten, die ursprünglich zum Überleben unserer Vorfahren dienten. In einer Zeit, in der Nahrungsressourcen begrenzt waren und unvorhersehbare Hungerphasen drohten, war es vorteilhaft, möglichst viel Nahrung zu konsumieren und Körperfett anzusammeln. Diese Verhaltensweise sicherte das Überleben und wurde über Generationen weitergegeben (Eaton & Konner, 1985). In der heutigen Welt, in der Nahrung im Überfluss verfügbar ist, führt dieser Instinkt jedoch in vielen Fällen zu gesundheitlichen Problemen wie Übergewicht und Fettleibigkeit. Dieses Phänomen wird als „evolutionärer Mismatch“ bezeichnet, da unser Verhalten an die Lebensumstände unserer Vorfahren angepasst ist, dies jedoch in der modernen Welt zu suboptimalen Entscheidungen führt, die nicht mit den veränderten Gegebenheiten vereinbar sind (Spinella, 2003). 

Verhaltensökonomisch betrachtet sind wir zudem anfällig für kurzfristige Belohnungen, was in Form von Völlerei oft als unmittelbare Befriedigung des Verlangens nach Genussmitteln oder Konsum zu beobachten ist. Trotz des Wissens um die damit verbundenen langfristigen negativen Auswirkungen fällt es vielen Menschen schwer, dieses Verhalten zu kontrollieren. Ein Erklärungsansatz dafür liegt in der Theorie der „Zeitdiskontierung“, die besagt, dass wir den Wert zukünftiger Ziele – etwa eine gesunde Ernährung oder finanzielle Stabilität – oft unterschätzen, während wir kurzfristige Bedürfnisbefriedigung höher gewichten. Diese Diskrepanz zwischen langfristigen Zielen und kurzfristigem Handeln wird auch als „Intention-Behaviour-Gap“ bezeichnet und macht es noch schwieriger, unser Verhalten nachhaltig zu ändern (Sheeran, 2002). 

Die Black Week: Konsumhoch und dessen psychologische Triebkräfte 

Die Black Week hat sich als Höhepunkt des Konsumverhaltens etabliert, in dem sich die verstärkte Nachfrage nach Rabatten und Sonderaktionen auf besonders ausgeprägte Weise manifestiert. Laut einer Umfrage von PwC in Deutschland gaben 70 Prozent der Befragten im Jahr 2023 an, während der Black Week einkaufen zu wollen. Dabei planten sie mit einem durchschnittlichen Budget von rund 281 Euro pro Person (PwC, 2023). Diese Zahl verdeutlicht die starke Triebkraft des Konsumverhaltens in dieser Zeit. Der Verkauf von Produkten zu vermeintlich günstigen Preisen fördert den Drang, sofort zugreifen zu müssen, und verstärkt so die konsumorientierte Völlerei. Dieses Phänomen steht auch im Einklang mit Erkenntnissen der Verhaltensökonomie, die darauf hinweisen, dass Menschen in Zeiten von Rabatten und Sonderaktionen oft weniger rationale Entscheidungen treffen (Aydinli et al., 2023). Die verstärkte Erwartung von Rabatten führt zu einer Verschiebung der Prioritäten beim Kaufverhalten, und Konsumenten neigen dazu, mehr zu kaufen als ursprünglich beabsichtigt. 

Wie viel Ersparnis steckt wirklich hinter den Rabatten? 

Unter den Konsumenten herrscht oftmals Unsicherheit darüber, wie viel Geld tatsächlich bei der Black Week gespart werden kann. Eine weit verbreitete Annahme ist, dass Preise unmittelbar vor Black Friday künstlich erhöht werden, um größere Rabatte vorzutäuschen. Um dem entgegenzuwirken, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 26.09.2024 entschieden, dass Preisermäßigungen gemäß der EU-Richtlinie 98/6/EG (Art. 6a) auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage vor der Rabattaktion bezogen werden müssen. Dieses Urteil soll Verbraucher vor irreführenden Rabatten schützen und Transparenz schaffen, indem verhindert wird, dass Preise kurzzeitig erhöht und dann als Rabatt beworben werden. Das Urteil basiert auf einer Vorlage des LG Düsseldorf und zielt darauf ab, klare Vorgaben für die Rabattwerbung zu schaffen. Auch wenn die Einsparungen oft hinter den Erwartungen vieler Menschen zurückbleiben, lässt sich dennoch ein gewisser Betrag sparen. Analysen zeigen, dass rund um den Black Friday durchschnittlich Einsparungen von fünf bis zehn Prozent erzielt werden können. (Frey, 2023).  

Rücksendetrends während der Black Week 

Ein weiteres mögliches Risiko des übermäßigen Konsums wird oft im Zusammenhang mit vermeintlich hohen Rücksendequoten von Online-Bestellungen in der Black Week diskutiert. Die Sorge besteht darin, dass der Konsumrausch möglicherweise dazu führe, dass viele Artikel gekauft werden, die später retourniert werden, weil sie entweder nicht den Erwartungen entsprechen oder aufgrund von Impulskäufen nicht wirklich benötigt werden. Überraschenderweise ist das Rücksendeaufkommen in der Black Week jedoch gar nicht so hoch, wie oft angenommen wird. In einer Untersuchung zum Online-Handel stellt PwC (2023) fest, dass der Anteil der Rücksendungen während der Black Week im Jahr 2023 stabil geblieben ist, obwohl der Umsatz zunahm​. Dies könnte darauf hindeuten, dass Konsumenten zwar nach wie vor einen Konsumdrang verspüren, inzwischen jedoch gezielter einkaufen und sich bewusster für Produkte entscheiden, die sie ohnehin brauchen, wie zum Beispiel Weihnachtsgeschenke. 

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Abbildung 1: Anteil der Weihnachtsgeschenke, die während dem Black Friday/Cyber Monday besorgt werden (PwC, 2023) 

 

Völlerei als menschliche Eigenschaft mit Potenzial zur Steuerung 

Der menschliche Drang zum übermäßigen Konsum wird besonders während globaler Einkaufsereignisse wie der Black Week deutlich. Hinter dem Kaufverhalten der Konsumenten stecken psychologische Mechanismen, die in der verlockenden Präsenz von Rabatten und Konsumversprechen oftmals als Schwäche interpretiert werden. Doch dieser Konsumdrang muss nicht zwangsläufig schädlich sein. Da Menschen zunehmend das kaufen, was sie wirklich brauchen und dabei auch noch etwas sparen können, kann er die Wirtschaft ankurbeln, ohne dass Ressourcen verschwendet oder Produkte massenhaft zurückgesendet werden. 

 

Quellen 

Eaton, Stanley / Konner, Melvin, 1985, Paleolithic nutrition: A consideration of its nature and current implications. New England Journal of Medicine, 312(5), 283-289. 

Frey, Tobias, 2023, Black Friday: Das müssen Sie zum Aktionstag wissen, Black Friday: Das müssen Sie zum Aktionstag wissen - Marktcheck - TV (swrfernsehen.de), [18.11.2023] 

PwC, 2023, Kauflaune kontert Krise – Black Friday 2023, Black Friday 2023: Kauflaune kontert Krise (pwc.de) [11.11.2024]  

Sheeran, Paschal, 2002, Intention-Behavior Relations. A Conceptual and Empirical Review, in: European Review of Social Psychology, 12. Jg., Nr. 1, S. 1–36 

Spinella, Marcello, 2003, Evolutionary mismatch, neural reward circuits, and pathological gambling, in: International Journal of Neuroscience, 113. Jg., Nr. 4, S. 503–512 

Rebecca arbeitet seit 2024 als Wissenschaftliche Referentin am Institut der deutschen Wirtschaft im Kompetenzcluster Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik. Sie promoviert derzeit an der Universität zu Köln; vorher studierte sie im Master Internationale Betriebswirtschaft an der Universität Wien und im Bachelor Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln.