Kostenpflichtige Plastiktüten: Kommt nicht in die Tüte – oder doch?
Wer hat es nicht schon erlebt? Man kauft etwas ein, bekommt die Waren wie selbstverständlich in eine Plastiktüte gesteckt und in die Hand gedrückt. Damit ist jetzt in den meisten Läden Schluss. Wer eine Tüte will, kann diese für einen kleinen Preis kaufen. Dass das tatsächlich zu weniger Verbrauch führt, liegt an den Gewohnheiten der Menschen. Aber genau die kann beim Umweltschutz auch zum Verhängnis werden.
Um den Verbrauch von Plastiktüten und den dadurch entstehenden Müll zu reduzieren, gilt ab Juli eine Selbstverpflichtung des Handels, Plastiktüten nicht mehr umsonst herauszugeben. Müssen die Leute dafür bezahlen, so die Idee, nutzen sie sie seltener.
Tatsächlich konnte in anderen Ländern ein deutlich geringerer Verbrauch beobachtet werden, nachdem eine solche Maßnahme eingeführt wurde, unter anderem in Irland und Südafrika. Nach einer Weile stieg der Verbrauch aber wieder an. Eine rein ökonomische Argumentation kann diesen Effekt nicht erklären, ein verhaltensökonomischer Ansatz schon:
Besitztumseffekt (Endowment Effekt) und Verlustaversion (Loss Aversion)
Der Besitztumseffekt besagt, dass man das, was man besitzt, nicht rational bewertet. Sobald einem etwas gehört, hält man es für wertvoller. Das lässt sich beispielsweise regelmäßig auf dem Flohmarkt beobachten, wo die Verkäufer für relativ wertlose Gegenstände mehr Geld verlangen, als man es erwarten würde. Auch in Experimenten konnte der Besitztumseffekt gezeigt werden. Eine Gruppe von Probanden bekam eine Tasse geschenkt und konnte diese daraufhin einer anderen Gruppe zum Kauf anbieten. Das, was die Tassenbesitzer mindestens verlangten, überstieg deutlich das, was die potenziellen Tassenkäufer bereit waren, zu zahlen (Kahneman/Knetsch/Thaler, 1990).
Der Besitztumseffekt ist eine besondere Form der Verlustaversion. Menschen sträuben sich dagegen, etwas zu verlieren. Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Amos Tversky (1979) konnten zeigen, dass der Schmerz, der durch einen Verlust verursacht wird, nicht durch einen genauso hohen Gewinn ausgeglichen werden kann (siehe Abbildung). Daher sind Menschen im Verlustbereich auch risikoaverser und denken mehr über ihre Entscheidungen nach.
Quelle: Kahneman und Tversky, 1979
Was hat das jetzt mit der Plastiktüte zu tun? Der Preis, der für Plastiktüten beispielsweise in Bekleidungsgeschäften neuerdings verlangt wird, liegt zwischen 10 und 50 Cent – ein relativ geringer Preis, wenn man tatsächlich eine Tüte benötigt, um etwas, was deutlich mehr gekostet hat, zu tragen. Die Preiseinführung führt aber trotzdem zu geringerem Verbrauch, weil der Status Quo, also die Ausgangslage ist, dass die Tüte umsonst ist. Die Bepreisung führt also zu einem Verlust dieses Status Quo und zu einem Verlust des vorherigen Besitzes, also eine neue Tüte bei jedem Einkauf. Es ist also nicht die Preissensitivität, die die Leute vom Kauf abhält, sondern die plötzliche Änderung der Ausgangslage.
Gewöhnungseffekte: Fluch und Segen
Genau dieser Effekt erklärt aber auch den Wiederanstieg, den einige Länder nach dem anfänglichen Erfolg der Maßnahme beobachteten. Nach einer Weile ist der Status Quo, dass Plastiktüten Geld kosten. Der relativ geringe Preis hält dann weniger Leute davon ab, auch eine zu kaufen, weil es jetzt längst keinen Verlust mehr darstellt. Man hat sich regelrecht an die Situation gewöhnt.
Eine Chance, einen späteren Wiederanstieg des Plastiktütenverbrauchs zu vermeiden, liegt darin, die Menschen auf vielfältige Art und Weise für nachhaltiges Verhalten zu sensibilisieren, beispielsweise durch positive Verstärker und Vorbilder. Gewöhnen sich die Konsumenten daran, immer eine eigene Tragetasche dabei zu haben, bevor sie sich an den Preis der Plastiktüte gewöhnen, kann ein Rückfall vielleicht vermieden werden. Also: Gewöhnt Euch (nicht) dran!
Den gesamten Artikel zum Plastiktütenverbrauch und zur neu eingeführten Selbstverpflichtung, Plastiktüten nicht mehr umsonst herauszugeben, findest Du in der Welt.
Quellen:
Wer hat es nicht schon erlebt? Man kauft etwas ein, bekommt die Waren wie selbstverständlich in eine Plastiktüte gesteckt und in die Hand gedrückt. Damit ist jetzt in den meisten Läden Schluss. Wer eine Tüte will, kann diese für einen kleinen Preis kaufen. Dass das tatsächlich zu weniger Verbrauch führt, liegt an den Gewohnheiten der Menschen. Aber genau die kann beim Umweltschutz auch zum Verhängnis werden.
Um den Verbrauch von Plastiktüten und den dadurch entstehenden Müll zu reduzieren, gilt ab Juli eine Selbstverpflichtung des Handels, Plastiktüten nicht mehr umsonst herauszugeben. Müssen die Leute dafür bezahlen, so die Idee, nutzen sie sie seltener.
Tatsächlich konnte in anderen Ländern ein deutlich geringerer Verbrauch beobachtet werden, nachdem eine solche Maßnahme eingeführt wurde, unter anderem in Irland und Südafrika. Nach einer Weile stieg der Verbrauch aber wieder an. Eine rein ökonomische Argumentation kann diesen Effekt nicht erklären, ein verhaltensökonomischer Ansatz schon:
Besitztumseffekt (Endowment Effekt) und Verlustaversion (Loss Aversion)
Der Besitztumseffekt besagt, dass man das, was man besitzt, nicht rational bewertet. Sobald einem etwas gehört, hält man es für wertvoller. Das lässt sich beispielsweise regelmäßig auf dem Flohmarkt beobachten, wo die Verkäufer für relativ wertlose Gegenstände mehr Geld verlangen, als man es erwarten würde. Auch in Experimenten konnte der Besitztumseffekt gezeigt werden. Eine Gruppe von Probanden bekam eine Tasse geschenkt und konnte diese daraufhin einer anderen Gruppe zum Kauf anbieten. Das, was die Tassenbesitzer mindestens verlangten, überstieg deutlich das, was die potenziellen Tassenkäufer bereit waren, zu zahlen (Kahneman/Knetsch/Thaler, 1990).
Der Besitztumseffekt ist eine besondere Form der Verlustaversion. Menschen sträuben sich dagegen, etwas zu verlieren. Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Amos Tversky (1979) konnten zeigen, dass der Schmerz, der durch einen Verlust verursacht wird, nicht durch einen genauso hohen Gewinn ausgeglichen werden kann (siehe Abbildung). Daher sind Menschen im Verlustbereich auch risikoaverser und denken mehr über ihre Entscheidungen nach.
Quelle: Kahneman und Tversky, 1979
Was hat das jetzt mit der Plastiktüte zu tun? Der Preis, der für Plastiktüten beispielsweise in Bekleidungsgeschäften neuerdings verlangt wird, liegt zwischen 10 und 50 Cent – ein relativ geringer Preis, wenn man tatsächlich eine Tüte benötigt, um etwas, was deutlich mehr gekostet hat, zu tragen. Die Preiseinführung führt aber trotzdem zu geringerem Verbrauch, weil der Status Quo, also die Ausgangslage ist, dass die Tüte umsonst ist. Die Bepreisung führt also zu einem Verlust dieses Status Quo und zu einem Verlust des vorherigen Besitzes, also eine neue Tüte bei jedem Einkauf. Es ist also nicht die Preissensitivität, die die Leute vom Kauf abhält, sondern die plötzliche Änderung der Ausgangslage.
Gewöhnungseffekte: Fluch und Segen
Genau dieser Effekt erklärt aber auch den Wiederanstieg, den einige Länder nach dem anfänglichen Erfolg der Maßnahme beobachteten. Nach einer Weile ist der Status Quo, dass Plastiktüten Geld kosten. Der relativ geringe Preis hält dann weniger Leute davon ab, auch eine zu kaufen, weil es jetzt längst keinen Verlust mehr darstellt. Man hat sich regelrecht an die Situation gewöhnt.
Eine Chance, einen späteren Wiederanstieg des Plastiktütenverbrauchs zu vermeiden, liegt darin, die Menschen auf vielfältige Art und Weise für nachhaltiges Verhalten zu sensibilisieren, beispielsweise durch positive Verstärker und Vorbilder. Gewöhnen sich die Konsumenten daran, immer eine eigene Tragetasche dabei zu haben, bevor sie sich an den Preis der Plastiktüte gewöhnen, kann ein Rückfall vielleicht vermieden werden. Also: Gewöhnt Euch (nicht) dran!
Den gesamten Artikel zum Plastiktütenverbrauch und zur neu eingeführten Selbstverpflichtung, Plastiktüten nicht mehr umsonst herauszugeben, findest Du in der Welt.
Quellen:
- Wenn der Bonus zum Malus wird
- Verbraucherschutz im digitalen Zeitalter