New Work – Arbeit als psychologisches Empowerment

Der Begriff New Work prägt seit einigen Jahren die Arbeitswelt und erfuhr durch die Corona-Pandemie neuen Aufschwung. Moderne Arbeitsformen sollen vor allem die Produktivität, die Mitarbeiterzufriedenheit sowie die Mitarbeiterbindung erhöhen. New Work ist zum Buzzword geworden und wird gerne als Allheilmittel angepriesen. Zwar kann es die moderne Arbeit maßgeblich verbessern; Homeoffice und flexible Arbeitszeiten als New Work zu verkaufen, greift dabei allerdings zu kurz. Und auch ein wichtiger psychologischer Baustein der Mitarbeitenden wird oft außer Acht gelassen.

Um zu verstehen, was New Work leisten kann, muss man verstehen, woher der Begriff stammt. Dieser wurde bereits in den 1970er Jahren von Frithjof Bergmann aufgegriffen. Im Konzept Bergmanns werden der Mensch und seine Bedürfnisse in den Vordergrund gerückt. Es geht um Sinnstiftung und eine Abkehr vom gegenwärtigen Lohnsystem (Bergmann, 1990, 80). Besteht der Begriff der New Work zwar nach wie vor fort, hat sich das Verständnis von New Work heutzutage gegenüber dem von Frithjof Bergmann verändert. Während das Konzept des Philosophen als eine Überwindung unseres Arbeitssystems gesehen werden kann, zielen heutige Konzepte darauf ab, innerhalb des bestehenden Systems Mitarbeitende zu stärken und zu empowern. Doch bei der Umsetzung und Gestaltung on New Work gibt es deutliche Unterschiede.

Im jährlichen New Work-Barometer der SRH Berlin University of Applied Science wurden die Zustimmungen zu verschiedenen Verständnissen der New Work abgefragt (Skala von 1 (= stimme überhaupt nicht zu) bis 7 (= stimme voll und ganz zu); n=631) (Schermuly/Meifert. 2023, 5):

  1. Konzept der Arbeitszeit- und Arbeitsortautonomie: New Work wird vorrangig zugeschrieben, mobiles Arbeiten und Homeoffice zu ermöglichen.

  2. Verständnis im Sinne der New Work Charta: Bei der Anwendung von New Work sollten fünf Prinzipien im Unternehmen erfüllt sein: Soziale Verantwortung, Entwicklung, Sinn, Freiheit und Selbstverantwortung.

  3. New Work im Sinne eines psychologischen Empowerments: Soll vor allem den Mitarbeitenden zugutekommen; Ähnlich zur New Work Charta stehen hier bestimmte Prinzipien im Vordergrund: das Erleben von Sinnhaftigkeit, Einfluss, Selbstbestimmung und Kompetenz am Arbeitsplatz.

Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse der Befragung, wobei das ursprüngliche Konzept im Sinne Bergmanns am wenigsten Zustimmung erhält. Stattdessen erhalten das Psychologische Empowerment und das New Work Charta-Konzept die größte Zustimmung. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es vielen Unternehmen weniger um einen radikalen Wandel geht, sondern eher darum, vorhandene Arbeitsstrukturen innerhalb ihrer Betriebe auf die Mitarbeitenden anzupassen.

Abbildung 1: Zustimmung zu verschiedenen New Work-Konzepten (Schermuly/ Meifert, 2023, 6)

 

New Work – mehr als nur Home-Office

Auch wenn das Homeoffice als Teilelement von New Work am etabliertesten ist, deckt es nur einen kleinen Teilbereich ab. Es bildet lediglich die örtlichen und gegebenenfalls zeitlichen Komponenten der Arbeit und somit vor allem Teilbereiche der Selbstbestimmung ab. Weitere relevante Kriterien des psychologischen Empowerments wie gesteigerte Kompetenzen, beispielsweise durch die Einführung agiler Arbeitsmethoden, oder ein stärkerer Einfluss der Mitarbeitenden, etwa durch partizipative Entscheidungsmechanismen, werden nicht berührt. Das ist nicht ausreichend, denn betrachtet man hierzu zunächst wieder die Ergebnisse des New Work-Barometers von 2023, liegt die Arbeitsplatzautonomie lediglich auf Platz vier derjenigen Praktiken, die von den Befragten am ehesten mit New Work in Verbindung gebracht wird. Davor liegt auf Platz drei die offene Fehlerkultur, auf Platz zwei die Selbstorganisation und auf Platz eins die empowermentorientierte Führung, wie Abbildung 2 zu entnehmen ist (Schermuly/Meifert, 2023, 8).

 

Abb. 2: Zustimmung zu verschiedenen New Work-Praktiken: Top 10 (Schermuly/ Meifert, 2023, 8)

 

Diesen Ergebnissen nach geht es bei New Work weniger um die Frage, wo und wann ich arbeiten kann, als vielmehr um einen Wandel in Bezug auf die Unternehmenskultur. Deutlich wird dies an den ersten drei Plätzen des Rankings. Hier stehen eine offene Kommunikation, gegenseitiges Vertrauen und ein Abbau von Hierarchien im Vordergrund. Das wird vor allem an der Einforderung einer empowermentorientierten Führung sichtbar. Die Führungskraft soll demzufolge nicht nur Aufgaben von oben nach unten delegieren, sondern Mitarbeitende an wichtigen Entscheidungen teilhaben lassen. Ebenso wird ein respektvoller Umgang mit den Mitarbeitenden eingefordert, wobei wichtige Aufgaben weitergegeben werden und eine Vertrauenskultur herrscht. Hierbei sieht sich die Führungsperson in der Rolle eines Sinnstifters, die den Sinn und Zweck hinter Entscheidungen erklärt, und vermittelt, inwiefern die aktuellen Tätigkeiten im Unternehmen einen Einfluss auf die Zukunft haben können.

Daneben gibt es auch New Work-Praktiken, die kaum vorzufinden sind, beziehungsweise als kaum relevant erachtet werden. Ein Beispiel sind Demokratisierungsansätze in Betrieben (Hofmann et al., 2019, 6). Im New Work-Barometer von 2022 wird vermutet, dass dieses Ergebnis auf der Angst beruht, eigene Kompetenzen zu verlieren, da Holokratien und der Abbau von Hierarchien mit sinkenden Zahlen an Führungskräften einhergehen (Schermuly/Meifert, 2022, 9).

New Work: Vorteile für Betrieb und Mitarbeitende

Nachdem dargelegt werden konnte, wo die Wurzeln der New Work liegen und welche Praktiken New Work umfasst, stellt sich die Frage, wozu es überhaupt der Einführung solcher Praktiken im Unternehmen bedarf. Das Fraunhofer-Institut gibt hierauf eine Antwort. So leben wir in einer Zeit, in der sich Unternehmen einer stetig ändernden Umwelt ausgesetzt sehen. Change-Prozesse führen daher nicht von einem statischen Ist- zu einem statischen Sollzustand, sondern es liegt eine Situation dauerhaften Wandels in Unternehmen vor, damit diese am Markt bestehen können. New Work ermöglicht es, sich schneller neuen Gegebenheiten anzupassen, da agile Arbeitsweisen gefördert, sowie die Mitarbeitenden stärker in Arbeitsprozesse eingebunden werden (Hofmann et al., 2019, 6). Unterstützt wird dieser Befund von einer Studie des IW, die sich Betriebe in Transformationsprozessen angeschaut hat und für einen erfolgreichen Wandel eine transparente Kommunikation, das Auftreten von Führungskräften als Vorbild und die aktive Beteiligung der Mitarbeitenden in den Prozessen empfiehlt (Dietz et al. 2022).

Resilienz als wichtige Grundvoraussetzung für New Work

Hieraus ergibt sich aber auch eine Grundvoraussetzung für die Einführung von New Work-Maßnahmen, die als Reaktion auf Krisensituationen eingeführt werden. Denn bevor diese Mitarbeitende wirklich stärken können, bedarf es einer hohen Resilienz der Mitarbeitenden selbst. Somit gibt es einige New Work-Praktiken, die die Belegschaft im ersten Moment vor Herausforderungen stellen können. Hier sei etwa das agile Arbeiten genannt, welches mit neuen Arbeitsabläufen und -strukturen einhergeht, die erst erlernt werden müssen. Hilfreich hier kann es sein, Mitarbeitergespräche im Vorfeld der Einführung neuer New Work-Instrumente zu führen und den Sinn hinter diesen zu erläutern. Denn wer versteht, weshalb neue Praktiken eingeführt werden, ist auch eher gewillt, sich auf diese einzulassen, wodurch auch die Resilienz der Belegschaft gestärkt wird (Hammermann, 2019).

Schafft man es, die Resilienz zu erhöhen, indem den Mitarbeitenden ein Sinn in ihrer Arbeit vermittelt und ihnen die Option gegeben wird, eigene Kompetenzen im Sinne der New Work zielgerichtet einzubringen, ergeben sich weitere Vorteile für Unternehmen. So verringert dies die Fluktuation von Mitarbeitenden und führt zur Erhöhung der Innovationskraft des Unternehmens, da Motivation und Effizienz im Betrieb gesteigert werden (Senghas/Kern, 2022).

New Work muss richtig verstanden und eingesetzt werden

Wichtig hierbei zu betonen ist jedoch die Notwendigkeit eines „richtigen“ Einsatzes von New Work-Praktiken, denn viele Maßnahmen stehen in einem Spannungsverhältnis. Beispielhaft kann dies am Home-Office dargelegt werden. Während es zum einen flexiblere Arbeitszeiten ermöglicht und somit die eigene Selbstbestimmung fördert, bestehen ebenfalls gesundheitliche Risiken und die Gefahr über das eigentliche Maß hinaus zu arbeiten. So arbeiteten laut einer Forsa-Umfrage von 2020, bei der abhängig Beschäftigte aus Bayern befragt worden sind, 24% der Mitarbeitenden im Home-Office über die eigentlich vorgesehene Arbeitszeit hinaus (Forsa, 2020, 8).

Zusammenfassend lässt sich folgendes zum Thema New Work festhalten: New Work definiert sich nicht über einzelne Praktiken, sondern ist ein Bündel an Maßnahmen, welches vor allem dazu dienen sollte, Mitarbeitende im Unternehmen zu empowern und dadurch das Unternehmen selbst zu stärken. Wichtig dabei ist vor allem die Intention hinter den Maßnahmen, denn je nachdem wie die Praktiken eingeführt werden, können diese auch mehr Probleme schaffen als lösen, beziehungsweise einfach eine Fortsetzung des Status Quo bedeuten. Dadurch würde New Work lediglich zum Schlagwort für die Fortführung alter Praktiken im neuen Gewand. Bei einer durchdachten Einführung kann New Work jedoch neue Chancen und Potenziale für Mitarbeitende und Unternehmen eröffnen.

 

Quellen

Bergmann, Frithjof, 1990, Neue Arbeit (New Work). Das Konzept und seine Umsetzung in der Praxis, in: Fricke, Werner, Jahrbuch Arbeit und Technik, S. 71-80

Dietz, Annette / Hammermann, Andrea / Stettes, Oliver, 2022, Hinter den Kulissen des Auf- und Umbruchs: Betriebe im Transformationsprozess, IW-Report, Nr. 33, Köln

Forsa, 2020, Erfahrungen mit Homeoffice – Ergebnisse einer Befragung unter abhängigen Beschäftigten in Bayern, Forsa Politik- und Sozialforschung GmbH, Berlin

Hammermann, Andrea, 2019, Resilienz stärken mit Zielvereinbarungen, IW-Kurzbericht, Nr. 41, Köln.

Hofmann, Josephine / Piele, Alexander / Piele, Christian, New Work – Best Practices und Zukunftsmodelle, Fraunhofer IAO, Stuttgart

Schermuly, Carsten / Meifert, Matthias, 2022, Ergebnisbericht zum New Work-Barometer 2022, https://www.srh-berlin.de/hub/new-work/barometer/ [16.10.2023]

Schermuly, Carsten / Meifert, Matthias, 2022, Ergebnisbericht zum New Work-Barometer 2023, https://www.srh‑berlin.de/fileadmin/Hochschule_Berlin/01_SEA_Landing_Pages/Business/Ergebnisbericht_zum_New_Work-Barometer_2023.pdf [16.10.2023]

Senghas, Martina / Kern, Vera, 2022, New Work – mehr als ein Modewort?, https://www.tagesschau.de/wissen/new-work-101.html [16.10.2023]

David arbeitet als studentischer Mitarbeiter im Kompetenzfeld Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik des IW Köln. Er studierte im Bachelor/Master Politikwissenschaften in Göttingen und derzeit Betriebswirtschaftslehre im Bachelor an der Universität zu Köln.