Der erste Eindruck zählt nicht
Einer Umfrage der Unternehmensgruppe Robert Half mit 200 Personalmanagern zufolge beruht jeder zehnte Mitarbeiterwechsel auf einer Fehlentscheidung bei der Personalauswahl. Falsche Personalentscheidungen sind nicht nur teuer, sie stören auch das Betriebsklima und führen zu Produktivitätsverlusten. Daher sind gute und richtige Personalentscheidungen für den Unternehmenserfolg von großer Bedeutung.
80 Prozent der Personalmanager haben eigenen Angaben nach schon einmal eine falsche Person eingestellt. Doch wie treffen Personaler und Führungskräfte ihre endgültige Entscheidung und woher wissen sie, ob der Bewerber oder die Bewerberin auch tatsächlich für die ausgeschriebene Stelle geeignet ist? Viele vertrauen ihrem Bauchgefühl und entscheiden schon nach wenigen Minuten: Sei es das sympathische Lächeln, der soziale Status oder das Körpergewicht – diese Eigenschaften werden als Hinweis auf Intelligenz, Kompetenz und Teamfähigkeit verstanden, obwohl sie in Wirklichkeit keine Relevanz für den Job haben.
Halo-Effekt – Eine Erklärung für das Bauchgefühl?
Der zugrunde liegende Bias, der dieses Verhalten erklärt, ist der Halo-Effekt (von englisch halo = Heiligenschein). Gemäß diesem Effekt neigen Personalmanager und Führungskräfte dazu, die Bewertung einer einzelnen Eigenschaft auf die gesamte Person zu übertragen. So kann eine markante Eigenschaft die gesamte Entscheidung überstrahlen und wichtige andere Aspekte rücken in den Hintergrund. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse belegen dies. In einer Studie des belgischen Forschers Stijn (2015) wurden fiktive Bewerbungen paarweise auf offene Stellenanzeigen verschickt. Die Bewerbungen enthielten entweder einen Lebenslauf mit dem Foto des Kandidaten oder waren mit einem Hinweis auf das Facebook-Profil des Bewerbers versehen. Die Fotos unterschieden sich jeweils in Bezug auf Attraktivität und Personalität. Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen mit einem schöneren Foto – sowohl auf dem Lebenslauf als auch auf ihrem Facebook-Profil – etwa 40 Prozent häufiger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden und insgesamt 20 Prozent mehr positive Rückmeldungen erhalten als Bewerber mit einem weniger attraktiven Foto.
Die Konsequenzen falscher Personalentscheidungen werden unterschätzt
Wenn das Aussehen als Auswahlkriterium bei einer Bewerbung dient, ist es wahrscheinlich, dass andere Aspekte wie die Kompetenz und Intelligenz eines Bewerbers zu wenig Berücksichtigung finden und falsche Personalentscheidungen getroffen werden. Diese können mit vielfältigen Konsequenzen für den Mitarbeiter und das Unternehmen verbunden sein. Wenn der Mitarbeiter für eine Position eingestellt wird, die nicht seinen Kompetenzen entspricht, fühlt er sich überfordert und kann dementsprechend keine gute Leistung zeigen, was zur baldigen Kündigung führt. Die erhöhte Fluktuation kann andere Mitarbeiter verunsichern und den Aufbau eines Gemeinschaftsgefühls zwischen den Mitarbeitern behindern. Vor allem aber sind falsche Personalentscheidungen mit sehr hohen Kosten verbunden: Der Zeitaufwand für die Einarbeitung, Umsatzeinbußen und ein erneuter Auswahlprozess kosten Unternehmen ein Vielfaches des Gehalts des Mitarbeiters (siehe Abbildung).
Quelle: Unternehmensgruppe Robert Half, 2015
Wie kann das Risiko einer Fehleinstellung reduziert werden?
Um ein objektiveres Bild des Kandidaten zu erhalten, ist es sinnvoll, dem Mehr-Augen-Prinzip zu folgen. Neue Mitarbeiter sollten nicht alleine rekrutiert werden, sondern das Feedback anderer Kollegen sollte immer in die Entscheidung miteinbezogen werden. Dazu kann beispielsweise das Vorstellungsgespräch in mehrere Runden mit unterschiedlichen Beobachtungskonstellationen aufgeteilt werden (Assessment Center). Eine weitere Gegenmaßnahme ist die mehrfache Erhebung derselben Daten, die miteinander verglichen werden, bevor die endgültige Personalentscheidung getroffen wird. Auch können die Merkmale des Bewerbers einzeln bewertet werden, damit die Beurteiler sich nicht an einem Gesamteindruck orientieren. Dann ist das Bauchgefühl mit Sicherheit auch ein nicht zu vernachlässigendes Kriterium.
Quellen:
Weiterführende Literatur: