Corona, eine nachhaltige Chance für das Klima?

Geschlossene Geschäfte, dichtgemachte Grenzen, Eltern und Kinder vor dem heimischen Computer vereint. So sahen die letzten Wochen für uns aus. Auch die Shoppingtour durch die Innenstadt und der Kurztrip ans Meer waren lange Zeit passé. Die Beschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ließen den Konsum und die Reisetätigkeit deutlich einbrechen – für das Klima bedeutete der Lockdown eine Verschnaufpause.

Allein im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW brach der Straßenverkehr im Frühjahr im Vergleich zu 2018 im Schnitt um etwa 46% ein (Goecke/Puls/Wendt, 2020). So könnte allein der Einbruch im Verkehr deutschlandweit Einsparungen von sieben bis zu 25 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen gegenüber 2019 bedeuten (AE, 2020).

Corona, der Retter des Klimas?

Brauchten wir also Corona um das Klima zu retten? Ein solcher Knick in den CO2 Abgasen, wie wir ihn jetzt erlebt haben, wäre vor Corona nicht vorstellbar gewesen. Auch nicht in Zeiten von Fridays for Future. Doch was hat der Lockdown mit uns Menschen gemacht? Der immense Rückgang von Treibhaus-Emissionen ist teuer erkauft.  Die Corona-Krise bringt erhebliche Wohlstandseinbußen mit sich. Die Zahl der Menschen in Kurzarbeit liegt fast doppelt so hoch wie während der Finanzkrise 2009. Die Arbeitslosenquote stieg im Mai auf 6,1%. Ein Zuwachs von 577 000 im Vergleich zum Vorjahr (BA, 2020). Doch der Lockdown macht sich nicht nur im Geldbeutel der Menschen bemerkbar, sondern auch in der Psyche. So zeichnet eine Umfrage des DIW ab, dass sich Menschen in Deutschland während der Corona-Pandemie deutlich einsamer fühlten als vor drei Jahren (Etringer et al.,2020). Auch begünstigten die Ausgangsbeschränkungen die Risikofaktoren häuslicher Gewalt (Steinert/Ebert, 2020).

Der erzwungene Stillstand führte also zu einer Ruptur in jeder Hinsicht. Doch ist dieser schmerzhafte Einschnitt wirklich mit nachhaltig positiven Effekten für unser Klima verbunden? Eher nicht, denn wenn Unternehmen das Geld ausgeht, sind auch keine finanzielle Mittel für Investitionen in umweltfreundliche Technologien vorhanden. Zudem zeigen schon jetzt die ersten erhobenen Daten nach Aufhebung vieler Restriktionen, dass die globalen CO2-Emissionen wieder ansteigen. Der Rückgang des täglichen Kohlendioxid Ausstoßes schrumpfte im Juli auf nur noch 7% im Vergleich zum Vorjahr zusammen. Während des Lockdowns im April lag der weltweite Rückgang noch um 10 Prozentpunkte höher (Le Quéré et al., 2020).

Also bald alles wieder beim Alten?

Nicht ganz. Das uns bekannte Leben für Monate anzuhalten, hat tiefe Spuren hinterlassen. Das Verhalten und der Wertekanon vieler Menschen wurden durch die Corona-Maßnahmen verändert. Was vor der Krise als unmöglich galt, ließ sich unter den neuen Begebenheiten nun doch umsetzten. Plötzlich reichte es aus, mit dem Geschäftspartner in Übersee nur per Video-Konferenz zu verhandeln. Viele Menschen machten auch die Erfahrung, dass sich der so breit geübte Verzicht im Alltag besser aushalten ließ als befürchtet. Diese Tendenz des Menschen, die emotionale Wirkung eines Ereignisses zu überschätzen, wird durch das Theorem des Impact Bias beschrieben (Wilson/Gilbert, 2005). Im Laufe der Zeit wurde uns bewusst, dass wir viele Dinge gar nicht so dringend brauchen, wie ursprünglich gedacht.

Die wegen des Ausnahmezustands verbrachte Zeit zu Hause regte viele zum Reflektieren an. So zeigen Umfragen etwa, dass seit der Corona-Pandemie globale Lieferketten verstärkt hinterfragt werden. Für 39% der Befragten einer Umfrage des BMEL hat durch Corona die Bedeutung der Landwirtschaft zugenommen und 82% legten Wert darauf, dass die Produkte aus der eigenen Region kommen. Selbst das verbreitete Wegwerfen von Lebensmitteln nahm deutlich ab (Kläver/Profiter/Kirchner, 2020) – Möglicherweise das Ergebnis leerer Supermarktregale.

Andererseits führten die Corona-Maßnahmen aber auch zu umweltschädlichen Verhaltensweisen. Der Fokus auf Sicherheit und Hygiene heizte etwa die Nachfrage nach Einmalverpackungen und Plastikhandschuhen an. Viele fürchteten schon ansteigende Müllberge. Das Recyclingunternehmen Grüner Punkt gab an, dass sich der Müll in gelben Tonnen etwa um 10% während der letzten Wochen erhöht hatte. Obwohl die Müllmengen von Gewerbebetrieben zurückgingen, stieg der Verpackungsmüll insgesamt an.

Zudem fühlen sich viele Menschen seit der Pandemie deutlich unwohler in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dies geht aus einer Umfrage des ADAC hervor. So gaben 43% im Mai an, aktuell keine öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen oder dies zumindest seltener zu tun.

Auch der Klimawandel erfordert eine Wende. Die Politik kann dabei die Richtung weisen und Anreize setzen, ein bisschen wie am Boden markierte Abstandshinweise. Mit dem Konjunkturpaket hat sie dies bereits in Ansätzen getan. Neun Milliarden Euro fließen aus dem Topf allein in die klimafreundliche Wasserstoff- Technologie. Ausgerechnet ein Virus könnte damit dem lange vernachlässigten Energieträger zum Durchbruch verhelfen. Doch es braucht noch mehr. Vielleicht tragen die Erfolge in der Pandemie-Bekämpfung auch hier zu einem Umdenken bei. Wenn Menschen dann nicht mehr nur für ihre eigene Gesundheit und die der Anderen Verantwortung übernehmen, sondern auch für die Umwelt, kann auch diese Krise bewältigt werden. Auf ein nachhaltiges Verhalten zu achten, könnte dann -auch dank Corona – so alltäglich werden, wie in der Straßenbahn Mund und Nase mit einer Maske zu bedecken. Es bräuchte dann keinen Lockdown, um unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern und mit Sieben-Meilen-Stiefeln beim Klima voranzukommen.

Quellen:

ADAC, 2020, Corona und Mobilität: Mehr Homeoffice, weniger Berufsverkehr,  https://www.adac.de/verkehr/standpunkte-studien/mobilitaets-trends/corona-mobilitaet/ [17.6.2020]

AE – Agora Energiewende, 2020, Auswirkungen der  Corona-Krise auf die  Klimabilanz Deutschlands,  https://www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2020/_ohne_Projekt/2020-03_Corona_Krise/178_A-EW_Corona-Drop_WEB.pdf [17.6.2020]

BA – Bundesagentur für Arbeit, 2020, Arbeitslosenquote & Arbeitslosenzahlen 2020, https://www.arbeitsagentur.de/news/arbeitsmarkt-vorjahre [17.6.2020]

BMEL – Bundesministerium für Umwelt und Landwirtschaft, Deutschland, wie es isst – der BMEL-Ernährungsreport 2020, https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/ernaehrungsreport2020.html [17.6.2020]

Entringer, Theresa et al., 2020, Psychische Krise durch Covid-19? Sorgen sinken, Einsamkeit steigt, Lebenszufriedenheit bleibt stabil, SOEPpaper 1087, https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.791307.de/diw_sp1087.pdf [17.6.2020]

Goecke, Henry / Puls, Thomas / Wendt, Jan (2020) Die Folgen von Corona für den Straßenverkehr, IW-Kurzbericht, Nr. 60, https://www.iwkoeln.de/studien/henry-goecke-thomas-puls-jan-marten-wendt-die-folgen-von-corona-fuer-den-strassenverkehr-468649.html [17.6.2020]

Kläver, Kai/ Profeta, Adriano/ Kircher, Christian, 2020,  Kauf- und Ernährungsverhalten der deutschen Verbraucher vor und während der Covid-19-Pandemie, Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik, https://www.dil-ev.de/fileadmin/user_upload/Covid_19_Studie__1_.pdf [24.6.2020]

Le Quéré, Corinne  et al., 2020, Supplementary data to: Le Quéré et al (2020), Temporary reduction in daily global CO2 emissions during the COVID-19 forced confinement (Version 1.0), Global Carbon Project, https://doi.org/10.18160/RQDW-BTJU [18.6.2020]

Steinert, Janina/ Ebert, Cara (2020), Gewalt an Frauen und Kindern in Deutschland während COVID-19-bedingten Ausgangsbeschränkungen: Zusammenfassung der Ergebnisse, https://www.hfp.tum.de/globalhealth/forschung/covid-19-and-domestic-violence/ [26.6.2020]

Wilson, Timothy D. / Gilbert, Daniel T., 2003, Affective forecasting, in: M. P. Zanna (Hrsg.), Advances in experimental social psychology, Vol. 35 (p. 345–411), Elsevier Academic Press, https://wjh-www.harvard.edu/~dtg/Wilson%20&%20Gilbert%20(Advances).pdf [18.6.2020]

 

Lucia ist Praktikantin im Kompetenzfeld Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik des IW Köln. Sie studiert derzeit an der University of York.